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OLG Karlsruhe zu Anwesenheitsquoren

Regelt die Vereinssatzung, dass ein mehrgliedriger Vorstand nur beschlussfähig ist, wenn eine bestimmte Anzahl von Vorstandsmitgliedern bei der Sitzung anwesend ist, bezieht sich das nur auf den amtierenden Vorstand.
Treten Vorstandsmitglieder zurück, bilden die verbleibenden allein den Vorstand. Regelt die Satzung also z.B., dass der Vorstand nur bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Vorstandsmitglieder beschlussfähig ist, werden lediglich die verbleibenden amtierenden Vorstandsmitglieder berücksichtigt.
Solange ein einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied vorhanden ist, kann es dann auch die Mitgliederversammlung einberufen. Ein Beschluss des Vorstandes ist dafür grundsätzlich nicht erforderlich. Die Bestellung eines Notvorstand kommt dann nicht in Frage.

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Vereinssatzung enthält in § 11 eine Regelung zu der Mitgliederversammlung. Sie lautet auszugsweise:
(10) Die Mitgliederversammlung ist beschlussfähig ist, wenn mindestens zwei Vorstandsmitglieder und ein Zehntel aller stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. Die Beschlussfassung erfolgt mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Enthaltungen und ungültige Stimmen werden dabei nicht berücksichtigt.
(13) Sind zu einer wirksam einberufenen Versammlung weniger als ein Zehntel aller stimmberechtigten Mitglieder erschienen, so ist vom Vorstand eine zweite Mitgliederversammlung einzuberufen, die ohne Berücksichtigung der Mindestteilnehmeranzahl beschlussfähig ist. Die Einberufung hierzu kann als Eventualeinladung zugleich mit der Einberufung zur ersten Versammlung verbunden werden.
Die Vereinssatzung enthält in § 12 eine Regelung für den Vorstand. Sie lautet auszugsweise:
(1) Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden (Präsidenten), dem stellvertretenden Vorsitzenden (Vizepräsident) und aus höchstens sechs weiteren Mitgliedern, von denen je ein Mitglied das Amts des Schriftführers, des Schatzmeisters, des Sportwarts, des Platzwarts, des Gesellschaftswarts und des Jugendwarts führen soll.
§ 14 regelt den Vorstand nach § 26 BGB und lautet auszugsweise:
(1) Den Vorstand im Sinne des § 26 BGB bilden der Vorsitzende (Präsident) und der stellvertretende Vorsitzende (Vizepräsident).
(2) Sie sind jeweils einzeln zur Vertretung des Clubs berechtigt.
Der Vorstand des Vereins besteht derzeit allerdings nur noch aus dem Vorsitzenden.

Die Entscheidungserwägungen:
Die Bestellung eines weiteren Vorstandsmitglieds durch das Amtsgericht ist nicht nach § 29 BGB dringend erforderlich, weil geltend gemacht wird, der Vorsitzende verweigere eine ordnungsgemäße Geschäftsführung, berufe keine ordentliche Mitgliederversammlung ein, habe einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vereins gestellt und zwei außerordentliche Mitgliederversammlungen zur Auflösung des Vereins einberufen.
Die Regelung des § 29 BGB dient nicht dazu, in vereinsinterne Streitigkeiten einzugreifen. Insoweit muss der Verein die eigenen, in der Satzung geregelten Mittel anwenden, insbesondere entsprechende Beschlüsse der Mitgliederversammlung herbeiführen, auch zur Neuwahl von Vorstandsmitgliedern. Sollte der Vorsitzende keine Mitgliederversammlung einberufen, steht den Vereinsmitgliedern ein Vorgehen nach § 37 Abs. 2 BGB zur Verfügung.
Soweit im Beschwerdeverfahren vorgebracht wird, der Vorsitzende könne die satzungsgemäßen Aufgaben des Vorstands nicht erfüllen, weil in §§ 12, 13 der Satzung ein mehrgliedriger Vorstand vorgesehen sei, trifft das nicht zu. Scheiden Mitglieder aus einem mehrgliedrigen Vorstand aus, ist entscheidend, ob ein einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied verblieben ist, das die Aufgaben wahrnehmen kann und diese auch wahrzunehmen hat. Die Regelungen in §§ 12, 13 der Satzung sehen zwar einen mehrgliedrigen Vorstand vor. Sie enthalten aber keine Regelungen, die verhindern, dass das einzig verbliebene Vorstandsmitglied die Aufgaben des Vorstands wahrnehmen kann. Der Vorsitzende bildet dann allein den Vorstand. Soweit in § 13 Absatz 3 Satz 3 der Satzung geregelt ist, dass der Vorstand beschlussfähig bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Vorstandsmitglieder ist und mit Stimmenmehrheit entscheidet, erfüllt der nur aus dem Vorsitzenden bestehende Vorstand diese Anforderungen und beschließt dann mit seiner Stimme. Er ist darüber hinaus nach § 14 Absatz 1 der Satzung auch alleinvertretungsberechtigt.
Die Regelung in § 11 Absatz 10 der Vereinssatzung ist dahingehend auszulegen, dass für die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung neben der erforderlichen Anwesenheit der Vereinsmitglieder auch die Anwesenheit des einzig verbliebenen Vorstandsmitglieds genügt. Denn die Regelung zur Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung in der Satzung weist insoweit eine planwidrige Regelungslücke auf, die im Wege der ergänzenden Auslegung in dem eben genannten Sinn zu schließen ist. Die Satzung ist objektiv auszulegen; eine Auslegung nach ihrem Sinngehalt hat sich an objektiv bekannten Umständen zu orientieren. Bei der Wortlautauslegung dürfen nicht nur die einzelnen Bestimmungen betrachtet werden, sondern der Sinngehalt der gesamten Satzung ist zu Berücksichtigen. Sind aufgrund einer erkennbaren Erwartung bestimmte Umstände nicht bedacht worden, kann eine ausfüllungsbedürftige Lücke bestehen, die durch ergänzende Auslegung zu schließen sein kann. Die in § 11 Absatz 10 der Satzung geregelte Anwesenheit von mindestens zwei Vorstandsmitgliedern kann daher nur bezwecken, einerseits die Vereinsmitglieder ausreichend über die Vorstandstätigkeit und ggf. auch über unterschiedliche Ansichten von einzelnen Vorstandsmitgliedern zu verschiedenen Angelegenheiten des Vereins zu informieren und andererseits den Vorstandsmitgliedern die Gelegenheit zu geben, ihre individuellen Ansichten zu Vereinsangelegenheiten zu äußern.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.07.2024, 19 W 29/24 (Wx)

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