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Pferderecht: § 477 BGB – Die Beweislastumkehr zu Gunsten des Pferdekäufers

Pferdekaufrecht

Vorbemerkung.

Das Institut des Verbrauchsgüterkaufes bringt weitreichende Veränderungen im Vergleich zum alten Recht. Im vorliegenden Beitrag soll auf die sogenannte Beweislastumkehr nach § 477 BGB näher eingegangen werden.
Diese Beweislastumkehr gilt nur im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes. Voraussetzung für dessen Vorliegen ist eine bestimmte Parteienkonstellation: Ein Unternehmer verkauft eine Sache an einen Verbraucher. In diesem Fall sieht das Gesetz den Unternehmer durch seine Erfahrung und Marktmacht im Vorteil und schränkt daher die Vertragsfreiheit zum Schutz des Käufers ein. Unternehmer ist, wer bei Abschluss des Rechtsgeschäftes in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Als Unternehmer gilt jede Person oder Gesellschaft, die am Markt planmä§szlig;ig und dauerhaft gegen Entgelt Leistungen anbietet. Auf die Eintragung im Handelsregister kommt es nicht an. Unter diesen Begriff des Unternehmers fallen vor allem Tierhändler, Züchter als Gewerbetreibende oder als Landwirte, Ausbilder oder Pensionsbetreiber.

Die Beweislastumkehr beim Pferdekauf

Nach anfänglichen Unsicherheiten ist nun anerkannt, dass die Regelung des § 477 BGB auch beim Pferdekauf einschlägig ist. Das Problem ist aber meist, ob die Vermutung wegen der Unvereinbarkeit mit der Art des Mangels oder der Sache angewandt werden kann.
Der Käufer muss nach neuester EuGH- und BGH-Rechtsprechung lediglich nachweisen, dass das Tier vor Ablauf der sechs Monate seit Gefahrübergang eine Beschaffenheit aufweist („zeigt“), die einen Mangel darstellen würde, wenn diese schon bei Gefahrübergang gegeben gewesen sein sollte.
Kann der Käufer so nachweisen, dass das Tier innerhalb der Frist einen Mangel hatte, wird vermutet das dieser Mangel, allerdings kein Folgeschaden hieraus, schon bei Gefahrübergang bestand.
Kann der Käufer beweisen, dass das Tier aktuell irgendwie nicht in Ordnung ist, muss der Verkäufer beweisen, dass dies beim Verkauf noch nicht so war. Dafür muss er – nicht der Käufer – meist beweisen, was eigentlich im Argen liegt.

Unvereinbarkeit mit der Art des Mangels und der Art der Sache beim Pferd.

Die Vermutung, dass ein Mangel, der innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe auftritt, auch schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag, findet nach der gesetzlichen Regelung des § 477 BGB dann keine Anwendung, wenn diese Vermutung mit der Art der Sache bzw. der Art des Mangels nicht vereinbar ist. Genannt werden in diesem Zusammenhang vor allem der Verkauf von gebrauchten Sachen (Palandt/Putzo, BGB, § 476 Rdnr. 10) sowie der Verkauf von kranken Tieren (Regierungsentwurf BR-Drucksache 338/01, Seiten 577-578).
Der BGH dagegen hat mittlerweile (Urteil vom 29.03.2006, AZ: VIII ZR 173/05) festgestellt, dass § 477 BGB auch auf Tierkäufe anwendbar ist. Auch bei einer saisonal sichtbaren, aber im Pferd möglicherweise schon früher einmal ausgebrochenen Allergie ist die Beweislastregel anwendbar.
Es bleibt allerdings dabei, dass der Käufer nach Erhalt der Sache die volle Beweislast für den Sachmangel trägt. Ein Mangel der Kaufsache, der auf einem fehlerhaften und gegebenenfalls überproportionalen Gebrauch der Sache beruht ist zwar kein Sachmangel, sondern lediglich ein Scheinmangel, aber da die Rechtsprechung des EuGH sehr käuferfreundlich ist, bleibt dem Verkäufer nur zu wünschen, dass sich ein Gutachter festlegen kann, was dem Tier eigentlich fehlt. Wenn der Käufer einen solchen Nachweis des Ausschlusses aller von einem Gutachter für möglichen erachteten Nebenursachen nicht zu führen vermag – was die Regel sein dürfte – so ist das Gericht gehalten, auf der Grundlage eines umfassenden Sachvortrags des klagenden Käufers sämtliche Beweisergebnisse umfassend zu würdigen und sich mit den für möglich gehaltenen Nebenursachen auseinander zu setzen und den sich dabei stellenden Fragen nachzugehen, ob eine Ursache für den Sachmangel von Hause ausscheidet oder doch zumindest nach erfolgter Beweiswürdigung vom Gericht ausgeschlossen werden kann.
Seit der EuGH-Entscheidung dürfte die bisherige deutsche Rechtsprechung Makulatur sein, so dass man sich auf Entscheidungen, die vor dem EuGH-Urteil vom 04.06.2015, Rs. C-497/13, und dem ihm folgenden, die deutsche Rechtsprechung komplett umwerfenden BGH-Urteil vom 12.10.2016, Az. VIII ZR 103/15 ergangen ist, nicht mehr bauen kann.

Beweisrisiko des Verkäufers.

Die in § 477 BGB enthaltenen – eng auszulegenden – Ausnahmetatbestände der Unvereinbarkeit mit der Art der Sache oder mit der Art des Mangels haben zur Konsequenz, dass der Käufer den Nachweis eines Mangels der Sache gem. § 434 BGB selbst zu führen hat und ihm die Vermutungsregelung nicht hilft, wenn der Verkäufer beweist, dass die Ausnahmetatbestände im vorliegenden Fall greifen. Hat der Käufer einen Mangel nachgewiesen, trifft das volle Beweisrisiko den Verkäufer. Dieser hat dann den uneingeschränkten Nachweis zu führen, dass die Vermutung der Mangelhaftigkeit im Zeitpunkt des Gefahrüberganges widerlegt ist.

Ist fraglich, ob die Beweislastregel aufgrund der Art des Mangels nicht doch unanwendbar ist, lässt sich dies tendenziell so beantworten, dass sie im Falle chronischer Krankheiten greift, bei Verhaltensstörungen wie Weben, Koppen, Bissigkeit oder Rittigkeitsproblemen jedoch nicht.

© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2011