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Sportrecht: Haftungsvoraussetzungen bei Verletzung eines Gegenspielers in einem sportlichen Wettkampf

Immer wieder kommt es bei Fußball- oder Handballspielen oder auch Boxwettkämpfen zu auch erheblichen Verletzungen. Meist aufgrund von regelwidrigem Verhalten, sog. Fouls. Diese haben in der Regel nicht nur sportliche Folgen, wie Rote Karten, sondern ziehen nicht selten auch zivilrechtliche, seltener auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Denn die Heilbehandlungskosten, Schmerzensgelder oder Verdiensteinbußen durch Arbeitsunfähigkeit beschäftigen regelmäßig die Gerichte.

Fußball Foul vor Gericht

Das OLG Schleswig hatte mit Urteil vom 19.11.2020 über ein Foulspiel in einem Kreisklassenfußallspiel zu entscheiden.

Der Senat war dort nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie der Anhörung der Parteien zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte ein grobes Foulspiel im Sinne der Regel 12 der Fußball-Regeln des Deutschen Fußballbundes begangen und die schwerwiegende Verletzung des Klägers bedingt vorsätzlich billigend in Kauf genommen hat.
Allerdings reicht für die Haftung hinsichtlich der in einem kampfbetonten Fußballspiel verursachten Verletzungen allein nicht aus, es gelten vielmehr besondere Grundsätze. Dabei ist es allgemeine Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Haftung für Verletzungen bei spielerischen Wettkämpfen mit erhöhtem Gefährdungspotential, wie etwa einem Fußballspiel, hinsichtlich des Maßstabes reduziert ist.
Bei Wettkämpfen mit erhöhtem Gefährdungspotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverstößen die Gefahr gegenseitiger Verletzung besteht, ist davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer die Verletzungen, selbst mit schweren Folgen, in Kauf nimmt, die auch bei Ausübungen nach den anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart nicht zu vermeiden sind. Eine Inanspruchnahme des Schädigers wäre in solch einem Fall ein gegen Treu und Glauben widersprüchliches Verhalten, weil der Geschädigte in gleicher Weise in die Lage des Schädigers hätte kommen können und sich entsprechend gegen eine Haftung gewehrt hätte.
So hatte auch schon das OLG Hamm, aber auch der BGH, das OLG Düsseldorf, das OLG Saarbrücken oder das OLG Köln, entschieden.
Das OLG war darüber hinaus davon überzeugt, dass der Beklagte das grobe Foulspiel vorsätzlich begangen und die damit verbundene schwere Verletzung des Klägers billigend, also mit bedingtem Vorsatz, in Kauf genommen hat.
Helfen könnte dem Verletzer, wenn er rein aus Spieleifer, Unüberlegtheit, technischem Unvermögen oder Müdigkeit gehandelt hätte. Denn da Verletzungen „bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverstößen“ einkalkuliert sind, kann es Schadenersatzansprüche nur bei grob unsportlichem Verhalten geben. Es braucht somit einen objektiv groben Verstoß gegen die Spielregeln, zum anderen subjektiv mindestens grobe Fahrlässigkeit.
Zwar kann nicht aus der spielinternen Sanktionierung durch den Schiedsrichter, der im vorliegenden Fall dem Schädiger die rote Karte zeigte, auf eine etwaige Haftung geschlossen werden. Diese Bewertung muss das Gericht selbst treffen, da der Schiedsrichter nur seine Wahrnehmung zum Geschehen auf dem Spielfeld und seiner Sanktion wiedergibt.
Ähnlich entschied 2022 das OLG Brandenburg.

Verletzung beim Tennis Doppel

Das OLG Düsseldorf hatte 2005 über die Folgen eines Tennismatches zu entscheiden, bei dem allerdings nicht der Gegner, sondern der eigene Mitspieler eines Doppelpartners verletzt wurde.
Beide Parteien (geschädigter Kläger und verletzender Beklagter) liefen zum Ball, um diesen zurückzuspielen. Der Beklagte lief dabei von der Grundlinie aus nach vorn, während der Kläger sich von der vorderen linken Seite des Feldes zur Seite in den rechten Bereich des Feldes bewegte. Der Beklagte traf bei dem Versuch den Ball zu schlagen den Kopf des Klägers und verursachte eine Gehirnerschütterung.
In diesem Fall war das Gericht nicht davon ausgegangen, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund der Verletzung gegen Treu und Glauben verstieße.
Das Tennisdoppelspiel der Parteien ist nach Meinung des OLG allerdings vom Bereich der sportlichen Kampfspiele nicht umfasst. Es fehlt bei den Doppelpartnern auf der einen Seite des Netzes bereits am gemeinsamen „Kampf um den Ball“, denn die Doppelpartner spielen nicht gegen-, sondern miteinander, um den Ball in das gegnerische Feld zurückzuschlagen. Zudem ist dem Tennisspiel gerade das Fehlen körperlicher Berührungen eigen; ein Regelwerk zu sogenannten „Fouls“ gibt es dort dementsprechend nicht.
Diese klare Abgrenzung sportlicher Kampfspiele zu sogenannten parallel ausgeübten Sportarten hat der BGH allerdings mittlerweile aufgegeben. Er hat im Fall eines Autorennens - hierbei handelt es sich um eine parallel ausgeübte Sportart - einen konkludenten Haftungsausschluss der Teilnehmer untereinander bejaht: Die Grundsätze, die zur Inkaufnahme von Schädigungen bei regelgerechtem Kampfspiel entwickelt worden seien, hätten allgemein Geltung für Wettkämpfe mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung bestehe.
Die der Entscheidung des BGH zugrunde liegende Rennveranstaltung und das im Fall des OLG im Streit stehende Tennisdoppelspiel lassen sich schon hinsichtlich des von den jeweiligen Sportarten ausgehenden Gefahrenpotentials, von welchem die Teilnehmer betroffen sind, kaum miteinander vergleichen. Akteure eines Autorennens können bereits durch geringfügige Fahrfehler in Todesgefahr geraten. Eine solche Gefährdung eines Tennisspielers durch seinen Doppelpartner ist hingegen schwerlich vorstellbar.
Der gravierendste Unterschied liegt in der Zielrichtung der Teilnehmer der beiden Sportarten: Fahren die Rennfahrer gegeneinander, so spielen die Doppelpartner beim Tennis in dem Sinne miteinander, als sie das gegnerische Doppel gemeinsam schlagen wollen. Auch das Tennisspiel birgt schon, wenn es als Einzel gespielt wird, wegen seiner Schnelligkeit ein erhebliches Gefahrenpotential. Häufig sind schnelle, gegenläufige Bewegungswechsel nötig, die bei einem unglücklichen Verlauf zum Umknicken eines Spielers oder einem Treffer des Spielers durch den Ball führen können.
Eine der im Regelwerk der International Tennis Federation ausdrücklich genannten Regeln wurde vorliegend nicht verletzt.
Allerdings ist für das Tennisdoppelspiel als ungeschriebene Regel anzunehmen, dass die Doppelpartner gegenseitig Rücksicht zu üben und Verletzungen des anderen zu vermeiden haben. Eine mehr als nur geringfügige Verletzung dieser Regel kann, da dem Tennisdoppelspiel - wie dargestellt - ein gewisses Verletzungsrisiko gerade eigen ist, jedoch nur angenommen werden, wenn der Schadenseintritt mit einem üblichen Spielverlauf und dessen immanenten Gefährdungen nicht mehr zu erklären ist.
Vorliegend hatte sich ein typisches Risiko verwirklicht, nämlich, dass es infolge einer fehlenden Abstimmung der beiden Spieler auf einer Seite des Netzes dazu, wer von ihnen einen Ball annimmt, zum Zusammenprall dieser Spieler kommt um ein „Nimm du ihn, ich hab ihn“ zu vermeiden.
Der Kläger hatte sich nach Meinung des OLG bewusst in eine Situation begeben, in der sich ein solcher Unfall bei einem unglücklichen Spielverlauf ergeben konnte. Hinzu tritt der Umstand, dass der Kläger um die Stärken und Schwächen des Beklagten wusste: Der Beklagte spielte, so beide Zeugen, immer „mit vollem Einsatz“, war aber gleichzeitig nach den Angaben des Zeugen L. der im Verhältnis zum Kläger schwächere Doppelpartner. Diese Kombination der Spieleigenschaften des Beklagten war dem Kläger durchaus - davon muss nach der Aussage des Zeugen L. ausgegangen werden - bekannt, denn der Kläger hatte nach seinem Eintritt in den Tennisclub schon mehrfach - auch im Doppel - mitgespielt.

Versicherungsschutz verhindert Haftungsausschluss

Allerdings hat der BGH 2008 entschieden, dass der Grundsatz, dass bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial die Inanspruchnahme des schädigenden Wettbewerbers für ohne gewichtige Regelverletzung verursachte Schäden eines Mitbewerbers ausgeschlossen ist, nicht gilt, soweit Versicherungsschutz besteht. Im Regelfall könne weder von einem konkludenten Haftungsausschluss ausgegangen noch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen als treuwidrig angesehen werden, wenn für die auf Grund des besonderen Gefahrenpotenzials der Veranstaltung zu erwartenden bzw. eintretenden Schäden für die Teilnehmer Versicherungsschutz besteht. Der Grund für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens liegt bei fehlendem Versicherungsschutz gerade darin, dass dem schädigenden Teilnehmer der sportlichen Veranstaltung ein besonderes Haftungsrisiko zugemutet wird, obwohl der Geschädigte die besonderen Risiken der Veranstaltung in Kauf genommen hat und ihn die Rolle des Schädigers ebenso gut hätte treffen können. Sind die bestehenden Risiken durch eine Haftpflichtversicherung gedeckt, besteht weder ein Grund für die Annahme, die Teilnehmer wollten gegenseitig auf etwaige Schadensersatzansprüche verzichten, noch erscheint es als treuwidrig, dass der Geschädigte den durch die Versicherung, insb. eine Pflichtversicherung, gedeckten Schaden geltend macht.
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© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2025