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Vereine und das Nachbarrecht

Vereine feiern. Vereine feiern gerne. Vereine feiern vor Ort auf Stadtfesten und bei sich auf dem Vereinsgelände. Und gelegentlich führt dies zu Unfrieden mit den lieben Nachbarn. Freuen sich die feiernden Vereinsmitglieder und ihre Gäste noch über die gute Musik, hält es der Nachbar vielleicht eher mit Wilhelm Busch: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden“. Anlass genug, hier einmal das Verhältnis zur Nachbarschaft und den Anwohnern durch die Paragraphenbrille zu betrachten.
Viele Feiern (oder alle ?) sind mit Lärm verbunden. Sei es die Musik bei der Reiterparty, sei es an Schützenfesttagen das morgendliche „Wecken“ zu Zeiten, bei denen die meisten noch im Bett liegen. Aber auch übers Jahr entsteht oftmals Lärm bei den verschiedensten Veranstaltungen: durch die an- und abfahrenden Besucher, durch herumtollende Jugendliche, durch den Trainingsbetrieb auf dem Vereinsgelände … In allen diesen Fällen gilt es, die Auswirkungen des Lärms auf den bzw. die Nachbarn zu beachten.

Recht auf Nachtruhe

In der Rechtsprechung ist es seit Menschengedenken unumstritten, dass jeder das Recht hat, in seiner Wohnung ungestört zu leben und sich deshalb gegen unzulässigen Lärm erwehren kann. Dies bedeutet andererseits aber nicht, dass damit jegliches Geräusch per se verboten wäre. Viele Geräusche muss man hinnehmen, weil sie ortsüblich oder unvermeidbar sind. Im übrigen ist Lärm nur dann nicht mehr zulässig, wenn ihn ein normal empfindender Durchschnittsmensch nicht mehr erträgt. Maßgeblich ist also nicht der lärmempfindliche Mensch, der sich nach einer harten Arbeitswoche in der Stadt auf die Erholung in seinem ruhigen Wochenenddomizil auf dem Lande freut oder der nach durchzechter Nacht auf Tageslicht und Geräusche allergisch reagiert. Maßstab ist aber auch nicht der Anwohner, der selbst oftmals über die Stränge schlägt und deshalb auch allen Anderen ihre ausschweifende Feier gönnt.
Lärmquellen sind stets auf die Ortsüblichkeit und Unvermeidbarkeit zu prüfen. So müssen die Anwohner einer Hauptverkehrsstraße auch Belästigungen durch den Straßenlärm dulden, die in einem ruhigen Wohngebiet bereits unzumutbar wären. Teilweise kommt es daher darauf an, wo die Veranstaltung stattfindet und wie weit der Lärm trägt. Liegt das Vereinsgelände daher an einem Flussbett, welches den Lärm ungehindert zum nächsten Ufer weiter trägt, sind durchaus andere Schutzvorkehrungen erforderlich als bei einem in einem Gewerbegebiet ansässigen Verein. Auch der nächtliche Lärm, der von einer Gaststätte ausgeht, muss von den Anwohnern hingenommen werden, wenn er in dem Gebiet allgemein üblich ist. Gleiches gilt auch für die mit dem Betrieb eines Vereinshauses verbundene Lärmentwicklung.

Klare Lärmgrenzen

Eine Lärmbelästigung durch einen Nachbarn ist aber immer dann unzumutbar, wenn durch diesen Lärm die für das jeweilige Gebiet geltenden Grenzwerte der „technischen Anleitung Lärm“ („TA-Lärm“) überschritten werden (statt vieler OLG Koblenz, AZ: 5 U 279/01, Urteil vom 04.09.2003). Eine überschreitung der Grenzwerte der TA-Lärm müssen Nachbarn nur unter ganz bestimmten Umständen tolerieren. Andere Gerichte sind etwas großzügiger und entnehmen die Grenzwerte den „Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche“ (sog. LAI-Hinweise oder Freizeitlärmrichtlinie). Danach dürfen auch die meisten Aktivitäten der Vereine im sicheren Bereich sein.

Kinderlärm unvermeidbar

Nach diesen eher allgemeinen überlegungen noch zwei konkrete Fälle: Der Lärm, der von spielenden Kindern oder Kindergruppen ausgeht, stellt regelmäßig keine rechtlich erhebliche Belästigung dar. Der übliche, von Kindern verursachte Lärm kann zwar möglicherweise, wie jeder andere Lärm, eine Belästigung des Nachbarn darstellen, er ist jedoch zur Tageszeit keine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB und damit rechtlich unbeachtlich. Auch wenn der Kinderlärm als besonders störend empfunden wird, ist er als Lebensäußerung unvermeidbar und gerade auch in Wohngebieten regelmäßig zumutbar. Während der normalen, örtlichen Ruhezeiten zwischen 13.00 und 15.00 Uhr sowie zwischen 22.00 und 7.00 Uhr muss aber auch bei Kindern und Kindergruppen dafür Sorge getragen werden, dass unzumutbare Geräuschentfaltungen unterbleiben.

Ausnahme für´s Vereinsfest

Und auch für das Vereinsfest gibt es eine Ausnahme. Der BGH hat mit Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 – über die Zulässigkeit von Lärmimmissionen anlässlich eines einmal im Jahr stattfindenden Volksfestes zu entscheiden. Die Kläger waren Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks, auf dessen Nachbargrundstück, das der beklagten Stadt gehört, ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld lagen. Die Stadt hatte das Gelände dem Sportverein für Sportveranstaltungen und den Trainingsbetrieb überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein also sein Sommerfest, bei dem in einem Abstand von ca. 60 m vom Wohnhaus der Kläger ein Festzelt errichtet wird. Im Festzelt finden Musikveranstaltungen statt, darunter am Freitag Abend ein Rockkonzert, welches meist bis weit nach Mitternacht dauert. Der BGH befand, dass den Nachbarn bei Veranstaltungen, die für eine Gemeinde von besonderer Bedeutung sind und nur einmal jährlich stattfinden, auch nach 22.00 Uhr über die sonst in der Rechtsprechung angewendeten Richtwerte hinaus Lärmbelästigungen zumutbar seien. Besondere Bedeutung in diesem Sinne können Volks- und Gemeindefeste, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen haben, die zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens gehören, bspw. Schützenfeste, Fußballturniere oder Ruderregatten. Von Ihnen dürfen im Einzelfall zur Nachtzeit (ab 22.00 Uhr) richtwertüberschreitende Störungen ausgehen. Mit Rücksicht auf den Schutz der Nachtruhe gilt das in aller Regel aber nur bis Mitternacht.
© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2011